Kollaboration und Kooperation
Nicht zu Unrecht werden das Internet und die damit verbundenen Technologien als Basisinnovation des digitalen Zeitalters gesehen. Im Kontext des lebenslangen Lernens besteht diese Basisinnovation aus zwei Ebenen: der technologischen Ebene, die mit dem Begriff Web 2.0 gleichgesetzt wird, und der sozialen Ebene, die ihre Ausprägung in den Social Media-Anwendungen findet. Sowohl in der Wirtschaft als auch im Gesundheitswesen werden die inhaltlichen Aspekte der beiden Begriffe Web 2.0 und Social Media synonym betrachtet und führen in der Praxis der beruflichen Bildungssysteme zu Irritationen. Bei einer differenzierten Betrachtung von Social Media erkennt man sehr schnell, dass sich hinter diesem Begriff sowohl die technologische als auch die soziale Komponente vereinen.
Clay Shirky, Autor und Berater zum Thema Internet vertritt die Meinung, dass Web 2.0 hauptsächlich die technologischen Aspekte der genannten Basisinnovation adressiert. In Social Media sieht er hauptsächlich die Qualität der Partizipation und die Teilnahme an möglichen Netzwerken als charakterisierendes Merkmal. Damit spricht er zusätzlich die qualitativen Aspekte der Kollaboration und Kooperation an, die Voraussetzung für die partizipative Teilnahme am informellen Austausch über Gesundheitsbelange im Netz sind.
Im weiteren Sinne charakterisiert dieser Begriff nicht nur eine technische Entwicklung, sondern auch eine Geisteshaltung, eine Denkweise und ein Bekenntnis für ein vernetztes globales Denken zur Verbesserung der örtlichen, regionalen und weltweiten Gesundheitsversorgung – unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Es sind also im Kontext der Fort- und Weiterbildung Strategien erforderlich, die einen ausbalancierten Mix aus traditionellen Formaten und Formaten mit elektronischen Medien anstreben. Folglich ist das Internet die Organisationsform und technische Basis, die es ermöglicht, zunehmend flächendeckend Personen schneller und wirkungseffektiver im Sinne ihrer Ziele und Bedürfnisse zusammenzubringen. Gerade die zunehmende Fähigkeit der im Netz bestehenden und sich neu bildenden kommunikativen Netzwerke,neues Wissen und Akteure aufzunehmen und sich zu arrangieren, aber auch die Fähigkeit, dadurch gesamtgesellschaftliche Strukturen verstärkt beeinflussen zu können, bleiben nicht ohne Auswirkungen auf den Gesundheitsmarkt, vor allem nicht ohne Auswirkungen auf die Fort- und Weiterbildungssysteme in den Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Während die Wirtschaft in Bezug auf die betrieblichen Bildungssysteme ihre Hausaufgaben zumindest teilweise gemacht hat, herrscht diesbezüglich in den Einrichtungen des Gesundheitswesens derzeit noch überwiegend Orientierungslosigkeit. Neben dem Mangel an entsprechenden Fachkräften liegt dies vor allem an der zaghaften Umsetzung der unter dem Begriff ,,Digitale Transformation“ zu verstehenden Prozessabläufe. Hinzu kommt der in die Begrifflichkeiten ,,Disruption“ und ,,Disruptive Technologien“ hineininterpretierte angsteinflößende Bedeutungsgehalt des abgehängten Seins.
Doch was meint dieser zwischenzeitlich so durchgenudelte Begriff „Disruption“ eigentlich in Bezug auf das Gesundheitswesen? Was bedeutet er für Unternehmen der Branche und für Kliniken? Und ist Disruption, überspitzt formuliert, etwas von Gott Gegebenes, das ein Unternehmen wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft? Ins Leben gerufen wurde der Begriff vor ziemlich genau 20 Jahren vom Harvard-Professor Clayton Christensen. In seinem Buch ,,The Innovator’s Dilemma“ äußerte er sich erstmals über die Auswirkungen von disruptiven Technologien. In ,,The Innovator‘s Prescription: A Disruptive Solution for Health Care“ setzt er seine Theorie zum Gesundheitswesen in Bezug. Nach der These von Christensen scheitern etablierte und erfolgreiche Unternehmen, wenn sie von Innovationen mit dem Potenzial der schöpferischen Zerstörung attackiert werden. Schöpferische Zerstörung wiederum ist ein Synonym für den Begriff ,,Disruption“ und wird dem Österreicher Joseph A. Schumpeter (1883–1950) zugeschrieben, der ihn vor mehr als einem halben Jahrhundert kreierte.